Die Rehbach Personal-Service GmbH präsentiert: Neuzugang Naz Bohannon
Still und klar ruht der See. Vielleicht ist es das Wasser, welches den Anwohnern rund um den Erie ihre Mentalität verleiht. Auf jeden Fall sorgen die teil böigen Winde dafür, dass auf den Freiplätzen am Ufer wenig geworfen, dafür umso mehr zum Brett gezogen wird. Wer dort zockt, hat Nehmerqualitäten. Wer sich hier mit anderen messen möchte, muss den basketballerischen Blaumann auspacken. Muss bereit sein, dahin zu gehen, wo es wehtut. In Lorain gibt es keinen Raum für Schönspielerei. Go hard or go home. Am westlichsten Zipfel von Cleveland gelegen gehört die 65.000 Seelen-Gemeinde offiziell zu der Metropole – je nach Gesprächspartner. „Grundsätzlich sind wir sehr stolz auf unsere Stadt“, berichtet Naz Bohannon. „Deswegen legen wir wert darauf, als unabhängig betrachtet zu werden.“ Was zwischen den Zeilen durchklingt, ist die Tatsache, dass der 24-Jährige einer ist, der lieber handelt, anstatt darüber zu reden.
I’m a poor man’s dream, a thug poet
Wer aus dieser Ecke der Vereinigten Staaten kommt, trägt seine Heimat auf den Schultern. Und damit in jeden Raum hinein, der betreten wird. „Wenn du aus dem Großraum Cleveland kommst, kannst du anhand der Körpersprache ablesen, aus welchem Teil der Gegend jemand stammt“, erläutert Naz. „Leute aus Lorain erkennst du immer daran, dass wir selbstbewusst und mit einem gewissen Swag auftreten. Allerdings nie übertrieben, nie zur Show. Wir stehen dazu, dass wir harte Arbeiter sind.“ Anpacker. Blue-collar people.
Diese Attribute werden Naz schon von Kindesbeinen an mit auf den Weg gebracht. Als Teil einer Großfamilie lernt er früh, sich gegen die Älteren durchzusetzen, ohne dabei die Fürsorge für die Jüngeren aus den Augen zu verlieren. „Ich habe insgesamt fünf Brüder und fünf Schwestern“, beschreibt er, und fügt schmunzelnd hinzu: „Da ging es früher immer mal hoch her zwischen uns, doch wir haben uns immer den Rücken gestärkt, wenn es drauf ankam.“ Und viel miteinander gespielt. Baseball. Basketball. American Football. Das volle Programm. Über die familiären Kräftemessen erwächst das Selbstvertrauen, es auch außerhalb der heimischen vier Wände mit jeglicher Konkurrenz aufnehmen zu können. Zu müssen, um etwas zu erreichen.
Dass aus Naz nach seiner Zeit an der Youngstown State University sowie der Clemson University ein Profisportler wird, ist aufgrund seines Willens und der physischen Voraussetzungen wenig verwunderlich. Dennoch ist Lorain nicht gerade dafür bekannt, viele Athleten in die Welt hinaus zu entsenden. Doch ein Name sticht bei der kurzen Liste derer, die im Sport untergekommen sind, hervor: Thomas Wimbush. „Auch wenn Naz knapp fünf Jahre jünger ist als ich, haben wir an der Highschool kurzzeitig sogar in einem Team gespielt“, erzählt der Forward, der 2019/2020 mit Ludwigsburg bis ins BBL-Finale vordrang. „Er ist einer, der mit wahnsinnig viel Leidenschaft und Energie spielt – ein großartiger Typ. Genau so einen willst du in deinem Team haben.“ Eine besondere Anekdote hat Wimbush nicht zur Hand, dafür kann Naz berichten, „dass ich gar keinen Thomas Wimbush kenne. Bei uns daheim nennen ihn alle nur „Sticks“, weil er schon früh großgewachsen war und immer Skateboard gefahren ist. So kam auch der Spitzname zustande, da er nach nach irgendwelchen Tricks immer auf dem Brett geblieben ist.“ Stick the landing.
Before my number’s called, history’s made
Es passt, dass Naz lieber über andere als sich selbst redet. Er liefert lieber auf dem Feld ab. Let the game do the talking. Das war schon immer so. „Zuerst habe ich Baseball gespielt. An der Highschool war es dann Basketball und Football, ehe ich mich mit dem Schritt ans College dann auf eins beschränken musste.“ Er folgt seinem Herzen, seiner ersten großen Liebe und bleibt beim runden Leder. An der Youngstown State ist er vom ersten Tag an ein Biest in Brettnähe, das den Laden sauber hält. In seinen vier Saisons bei den Penguins greift er sich nie weniger als durchschnittlich 8,1 Rebounds pro Saison. Nach dem Wechsel zu den Clemson Tigers muss er zwar kleinere Brötchen backen, kommt primär von der Bank, zeigt aber eindrucksvoll, dass er die Rolle des Energizers problemlos ausfüllen kann.
So kommt es etwas überraschend, dass ihn vergangenen Sommer ein Anruf der Jacksonville Jaguars erreicht, die ihn ins Mini-Camp einladen – nachdem er fünf Jahre lang kein offizielles Football-Spiel absolviert hat, wohlgemerkt. Mit seinen 1,98 Metern und knapp über 100 Kilogramm bringt er die physischen Voraussetzungen mit, um sich auf Rasen zu beweisen. „Es kommt immer wieder vor, dass NFL-Teams auch Jungs ins Camp holen, die ursprünglich eine andere Sportart gespielt haben“, berichtet Naz trocken. „Gerade bei den großen Kadern der Teams lohnt es sich, auch Spieler zu testen, die bis dahin weitestgehend unter dem Radar geflogen sind.“ Mit Chris Manhertz, der zu Highschool-Zeiten in New York als Basketballer auf sich aufmerksam machte, haben die Jaguars zu diesem Zeitpunkt ein Paradebeispiel dafür, dass der Sprung funktionieren kann, im Kader. Wenngleich Naz in Windeseile 20 Pfund draufpackt und sich an die physische Gangart im Mini-Camp gewöhnt, wird er kurz vor der Saison aus dem Aufgebot gestrichen.
Der vermeintliche Rückschlag dient zur Motivation, weiter in Form zu bleiben und individuell zu trainieren. Kurz es kurz nach dem Jahreswechsel zum Kontakt mit RASTA Vechta kommt. „Dadurch, dass wir während der Offseason immer viel mit Jungs gezockt haben, die auch in Europa unterwegs waren, wusste ich zumindest ein bisschen was auf mich zukommt“, so Naz, der allerdings nur zwei Tage hat, um die Koffer zu packen. „Es blieb keine Zeit, weitere Informationen einzuholen, also habe ich mich auf das Abenteuer eingelassen.“ Der Forward nutzt die knapp vier Monate bei den Niedersachsen, um seinen Körper unter Wettkampfbedingungen wieder halbwegs auf Basketball zu trimmen. „Ich habe das getan, was ich in der Situation tun konnte: Hart arbeiten und für das Team da sein.“ Was übersetzt bedeutet, dass er mit 9,0 Punkten und 5,6 Boards dazu beiträgt, um mit dem geilsten Club der Welt die ProA-Meisterschaft einzuheimsen. In der ersten Playoff-Runde gegen Hagen weiß er mit 11,0 Zählern und 5,7 Rebounds zu gefallen.
Da passt es, dass er 2023/2024 für Phoenix auflaufen wird, um die ProA eine ganze Saison lang in Atem zu halten. „Bei dem zweiten Playoff-Spiel in Hagen habe ich mich dabei erwischt, dass ich auf die Tribüne geschaut und gedacht habe: Diese Stimmung hier gefällt mir! Umso schöner ist es, dass ich diese Kulisse jetzt alle zwei Wochen werde genießen können“, schaut Naz voraus. Und passt mit seiner Art hervorragend an die Volme. Denn wer sich hier mit anderen messen möchte, muss den basketballerischen Blaumann auspacken. Muss bereit sein, dahin zu gehen, wo es wehtut. In Hagen gibt es keinen Raum für Schönspielerei.