Mittwoch(t): Plötzlich ist alles anders

Es muss irgendwann zwischen 2007 und 2009 gewesen sein. YouTube steckte noch in den Kinderschuhen und galt als große Spielwiese all derer, die sich gern in Bild und Ton ausdrücken wollten, bisher allerdings nie eine geeignete Plattform dafür hatten. Myspace war zuvor zu nerdy, Facebook zu textlastig. Genau in diesem Zeitraum also tauchten erstmals Videos von und zu Bodo Wartke auf. Ein absoluter Zufallsfund. Ein schöner noch dazu. Wie genau der Weg hin zu den „Songs an einem Sommerabend“ damals verlaufen ist – keine Ahnung. Das ist auch nebensächlich, denn es zählt lediglich die Tatsache, dass der Wortwitz und die musikalische Finesse des Liedermachers etwas auslöste. Etwas abfütterte, das dazu führte, das Netz weiter nach ihm zu durchforsten.

Vom Lurch, der irgendwo durch muss, bis hin zum Liebeslied in allen Sprachen dieser Welt. Von Dahingeflossenen bis zum Hambacher Wald. Die Zeit floss dahin – in Stunden, Tagen, Jahren – doch das Bodoversum blieb ein treuer Begleiter. Mal mehr, mal weniger, aber immer sehr geschätzt und inspirierend in seinen künstlerischen Auswuchungen. Irgendwo im Regal steht noch der limitierte DVD-Schuber zu „König Ödipus – Klavierkabarett im Rheimkultur“.

Und plötzlich, im Alltag einer Saison gefangen, findet sich ganz beiläufig im Postfach der Link zu einem Video wieder, in welchem zwei Australierinnen fröhlich tanzen. „Schau mal, gerade gefunden … der Knaller“, so der Zusatz in der Mail. Ein von Neugierde getriebener Klick, ein neues Browser-Fenster, zwei hochgezogene Augenbrauen. Der vermeintlich nur im eigenen kleinen Kosmos existente und geschätzte Künstler hat schlagartig Weltruhm erlangt. Social Media macht’s möglich. Und die Tatsache, dass das Werk an sich ausgefeilt, witzig, toll komponiert (hier sei Marti Fischer ausdrücklich erwähnt) ist und schlichtweg zur rechten Zeit den richtigen Nerv getroffen zu haben scheint.

Oder hat sich hier Qualität – über die an dieser Stelle keinerlei Diskussion geduldet wird – einfach ihren Weg gebahnt und durchgesetzt?!

Was das jetzt mit Basketball zu tun hat? Vordergründig vielleicht nicht viel. Und doch sind Parallelen vorhanden, die bei der Betrachtung unserer Weltmeister-Generation offensichtlicher werden. Im großartigen Podcast „Hotel Matze“ ist die Rede davon, dass Wartke lange Jahre zu der Sorte Künstler gehörte, der sich sein Publikum über persönliche Empfehlungen erschlossen hat. So wie bei Talenten, die sich abseits des Rampenlichts entwickeln, die Karriereleiter langsam emporklimmen, sich innerhalb der basketballerischen Nische etablieren.

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In den frühen 2010er Jahren gab es in der „FIVE“ eine Serie über junge Deutsche, fein säuberlich sortiert nach den fünf klassischen Positionen. Der Ansatz: Hier wird ein Blick auf die Zukunft auf die Generation geworfen, die nach dem großen Blonden die Flagge hochhalten wollte – der Wortwitz ist bewusst gewählt. Umso spannender allerdings, dass Dennis Schröder in dieser Auflistung nicht auftauchte, um ihm auf Empfehlung der Juniorennationaltrainer so lange wie möglich aus der medialen Schusslinie zu nehmen. So gehörte der amtierende WM-MVP zu genau der Sorte Talent, das nur denjenigen auffiel, die sich in muffigen NBBL- oder Zweitliga-Hallen rumtrieben.

Wer sich auch nur ein bisschen mit dem Nachwuchs beschäftigt, der kennt die zwölf Weltmeister seit einer gefühlten Ewigkeit. Alles relativ betrachtet – sowohl die zeitliche als auch die persönliche Komponente. Davon unbeachtet entsteht eine Beziehung zu einem Spieler, den auf einen Schlag alle kennen. Den jeder für sich beansprucht. Den viele zu kennen meinen. Wegen nur eines großen Turniers, bei dem sportlich alles zusammenkommt.

Was soll das? Diese viel zu kurz gefasste Meinung, dieses unvollständige Bild wird ihm nicht gerecht. Überdeckt ob der Tragweite des Erfolgs allerdings alles, was vorher war. Stellt den Prozess, der all dem voranging, in den Schatten. Unfair im Abgleich mit der eigenen Wahrnehmung. Und doch verständlich, da nicht alle diese langfristige, diese langlebige Betrachtungsweise mitbringen können. Der Kniff ist, dem Impuls der Verwunderung und der Ärgernis zu widerstehen, und sich stattdessen darüber zu freuen, dass nun viele Weitere ebenfalls mit wachen Augen betrachten, was hier vor sich geht. Und das ist völlig in Ordnung.

Der Rhabarber ist im Hier und Jetzt. Weswegen der Lurch, der im Winter in den Süden fliegt, nicht ein bisschen an seinem Zauber oder Wert verliert.

Mittwocht 16zu9 01

Mittwoch(t)

Es gibt so viele Geschichte rund um Phoenix Hagen. Geschichten, die erzählt werden wollen. Die einen etwas anderen Einblick in den Club und die internen (Denk-)Prozesse geben. Aus dem Arbeitstitel „Mittwochs-Meinung“ entwickelte sich der „Statement Wednesday“ oder auch das „Wort zum Mittwoch“, und letztlich der Begriff „Mittwoch(t)“. Es ist der etwas andere Angang an Themen, welche das Phoenix-Office umtreiben.